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Innovation & Transformation

ESPR und der digitale Produktpass: Was Unternehmen jetzt wissen und tun sollten

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Autor:in
Andrés Luna
Beitrag vom
13.08.2025
Aktualisiert am
17.09.2025
Lesedauer ungefähr
Minuten
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Die Europäische Union kündigt mit der Verordnung über umweltgerechte Gestaltung nachhaltiger Produkte (ESPR) und der Einführung des Digitalen Produktpasses (DPP) eine neue Ära der nachhaltigen Produktpolitik an. Ziel ist es, nachhaltige, kreislauffähige und transparente Produkte zum Standard auf dem EU-Binnenmarkt zu machen. Für Unternehmen bedeutet das nicht nur eine regulatorische Herausforderung, sondern auch eine strategische Chance, sich als Vorreiter im Bereich Nachhaltigkeit zu positionieren.

Was ist ESPR?

Die 2024 verabschiedete ESPR ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie und erweitert deren Anwendungsbereich deutlich über energieverbrauchsrelevante Produkte hinaus. Sie legt fest, wie Produkte umweltgerecht gestalten werden sollen – mit Fokus auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit und Umweltwirkungen.

Was ist der digitale Produktpass?

Ein zentrales Instrument ist der digitale Produktpass (DPP). Dieser wird Produkte künftig digital begleiten und wichtige Nachhaltigkeitsinformationen enthalten, etwa zur Materialzusammensetzung, zum CO₂-Fußabdruck oder zur Rückverfolgbarkeit. Der Zugriff erfolgt über Technologien wie QR-Codes oder RFID. Der DPP wird für in der EU hergestellte, gehandelte und importierte Produkte verpflichtend sein.

Welche Produkte sind bei ESPR priorisiert und warum?

Im April 2025 hat die Europäische Kommission den ersten Arbeitsplan für den Zeitraum 2025–2030 zur Umsetzung der ESPR veröffentlicht. Darin werden die ersten Produktgruppen benannt, für die Vorgaben zur umweltgerechten Gestaltung und ein digitaler Produktpass erarbeitet werden sollen. Auch horizontale Anforderungen, die für ähnliche Produktgruppen gleichzeitig gelten, sind enthalten.

Die ESPR-Anforderungen werden durch delegierte Rechtsakte der EU-Kommission festgelegt – entweder spezifisch für einzelne Produkte, darunter Endprodukte und Zwischenprodukte, oder in Form horizontaler Maßnahmen, die für Gruppen ähnlicher Produkte gleichzeitig gelten:

  • Endprodukte: Waren, die direkt an Verbraucher:innen oder Unternehmen verkauft und genutzt werden. Sie haben eine hohe Sichtbarkeit und direkten Einfluss auf Konsumverhalten und Abfallaufkommen.
  • Zwischenprodukte: Materialien oder Komponenten, die in der Herstellung anderer Produkte verwendet werden. Sie gelangen nicht direkt zum Endverbraucher, haben aber aufgrund ihrer Menge und Rolle in Lieferketten erhebliche Umweltwirkungen.
  • Horizontale Maßnahmen: Einheitliche Vorgaben, die für viele verschiedene Produkte gelten, zum Beispiel zur Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit oder Rezyklatanteil.

Für jede priorisierte Produktgruppe und horizontale Maßnahme richtet die Kommission spezifische Arbeitsgruppen ein. Diese Gruppen begleiten die Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte – inklusive Vorstudien, Stakeholder-Konsultationen und Folgenabschätzungen. Im April 2025 wurde die erste Liste priorisierter Produkte festgelegt. Gleichzeitig hat die Kommission deutlich gemacht, dass weitere Arbeitsgruppen folgen werden. Ziel ist es, einen Großteil der Produkte, die auf dem EU-Markt angeboten werden, abzudecken.

Die Auswahl der Produktgruppen erfolgte auf Basis einer technischen Analyse und breiter Konsultationen, unter anderem mit Mitgliedstaaten und dem Ökodesign-Forum. Entscheidende Kriterien waren Umwelt- und Klimaauswirkungen, Kreislaufpotenzial, Marktrelevanz und die Übereinstimmung mit politischen Zielen wie dem Green Deal.

Die priorisierten Produktgruppen und horizontal Maßnahmen laut ESPR-Arbeitsplan 2025–2030 sind:

Hinweis: Die Jahreszahlen in Klammern geben an, wann die Pflichten für die jeweiligen Produktgruppen voraussichtlich in Kraft treten sollen.

Endprodukte:

  • Textilien und Bekleidung (2027)
  • Reifen (2027)
  • Möbel (2028)
  • Matratzen (2029)

 

Zwischenprodukte:

  • Eisen und Stahl (2026)
  • Aluminium (2028)

 

Horizontale Maßnahmen:

  • Reparierbarkeits-Score für z. B. Unterhaltungselektronik und Haushaltsgeräte (2027–2029)
  • Recyclingfähigkeit und Rezyklatanteil bei Elektro- und Elektronikgeräten (2027–2029)

 

Darüber hinaus werden weitere energieverbrauchsrelevante Produkte wie Geschirrspüler, Kühlschränke, Ladegeräte für E-Fahrzeuge oder Smartphones im Rahmen laufender oder geplanter delegierter Rechtsakte behandelt.

Welche Anforderungen kommen auf Unternehmen zu?

Jeder delegierte Rechtsakt wird zwei zentrale Anforderungstypen enthalten: Informationsanforderungen und Leistungsanforderungen.

  • Informationsanforderungen betreffen die Daten, die über ein Produkt bereitgestellt werden müssen, diese sind in der Regel über den digitalen Produktpass sichtbar. Dazu gehören Angaben zur Materialzusammensetzung, zu enthaltenen Schadstoffen, zum CO₂-Fußabdruck, zur Reparierbarkeit, Recyclingfähigkeit und zur Entsorgung.
  • Leistungsanforderungen legen Mindeststandards oder Gestaltungskriterien fest, die Produkte erfüllen müssen, um in der EU vermarktet werden zu dürfen. Dazu zählen z. B. Anforderungen an Langlebigkeit, Energie- oder Ressourceneffizienz, Rezyklatanteile, Schadstoffgrenzen oder Demontierbarkeit.

Zusammenspiel mit bestehenden Regelungen

Die ESPR ersetzt keine bestehenden Produktregulierungen, sondern ergänzt sie dort, wo Nachhaltigkeitsaspekte bislang nicht ausreichend berücksichtigt wurden. So bleiben Bauprodukte beispielsweise primär durch die überarbeitete Bauproduktverordnung (CPR) geregelt. Die ESPR kann jedoch als Sicherheitsnetz fungieren – insbesondere bei Zwischenprodukten oder wenn die CPR-Nachhaltigkeitsziele nicht erreicht sind.

Auch Batterien unterliegen bereits der Batterieverordnung (EU 2023/1542), die ab 2027 einen Batteriepass für E-Fahrzeug- und Industriebatterien vorschreibt. Dieser wird vollständig mit dem DPP-Rahmen kompatibel sein. Für Elektronikprodukte werden bestehende Ökodesign- und Energiekennzeichnungsanforderungen künftig in den DPP integriert.

Strategische Chancen für Unternehmen

Ecodesign ist mehr als eine gesetzliche Vorgabe. Es eröffnet Chancen für Wertschöpfung, Innovation und unternehmerische Resilienz. Durch eine nachhaltigere Gestaltung der Produkte werden weniger Materialien und Energie benötigt, die Produkte halten länger und verursachen weniger Abfall. Das bringt Effizienzgewinne, geringere Risiken und robustere Lieferketten mit sich.

Zugleich fördert Ecodesign neue Geschäftsmodelle – etwa Produkt-als-Service, Remanufacturing oder Reparaturservices. Es entspricht dem wachsenden Wunsch von Kund:innen nach Transparenz, Langlebigkeit und verantwortungsvoller Beschaffung.

Unternehmen, die frühzeitig auf Ecodesign setzen, stärken ihre Markenreputation, differenzieren sich vom Wettbewerb und können eher mit Investitionen rechnen. Nachhaltigkeit ist längst kein Nischenthema mehr, es wird zum zentralen Kaufkriterium.

Wie wir Sie unterstützen können

ESPR wird auch für Sie relevant? Wir begleiten Sie gerne mit unserer fundierten Expertise in der Umweltbewertung von Produkten und der Umsetzung regulatorischer Anforderungen. Auch wenn Details zur praktischen Umsetzung der Verordnung noch in Ausarbeitung sind, ist jetzt der richtige Moment, um die Weichen für eine zukunftssichere Produktstrategie zu stellen. Schritt für Schritt unterstützen wir Sie bei folgenden Herausforderungen:

    1. Nachhaltigkeitsanalyse von Produkten und Organisation:
      Wir helfen Ihnen dabei, Ihre Produkte systematisch auf ihre ökologische Leistungsfähigkeit zu prüfen – etwa in Bezug auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit. Mit Methoden wie der Lebenszyklusanalyse (LCA) schaffen wir eine fundierte Grundlage für strategische Entscheidungen.
    2. Datenstruktur und Transparenz aufbauen:
      Da ESPR eine höhere Qualität an Produktdaten wie Materialzusammensetzung, Energieverbrauch oder CO₂-Fußabdruck verlangt, identifizieren wir gemeinsam mögliche Datenlücken. Daraufhin entwickeln wir praktikable Erfassungsstrategien und unterstützen Sie dabei, bestehende Prozesse – etwa im Rahmen der CSRD – effizient zu nutzen.
    3. Ökodesign in Entwicklung und Innovation integrieren:
      Nachhaltigkeit beginnt bereits beim Design. Wir begleiten Sie dabei, ökologische Prinzipien frühzeitig in Ihre Produktentwicklung und F&E-Prozesse zu integrieren – stehts mit Blick auf die technische Machbarkeit und die regulatorischen Anforderungen.
    4. Zukunftsfähige Geschäftsmodelle entwickeln:
      Die ESPR eröffnet neue Chancen für innovative Geschäftsmodelle. Ob Reparaturservices, Ersatzteilplattformen oder Product-as-a-Service – wir helfen Ihnen, diese Potenziale zu erkennen und strategisch zu nutzen.

 

  1. Wir werden Sie über die Entwicklung der Anforderungen im Zusammenhang mit der Ausarbeitung der delegierten Rechtsakte der ESPR auf dem Laufenden halten.

Zum Fazit
zusammengefasst

Die EU-Verordnung ESPR ersetzt die bisherige Ökodesign-Richtlinie und erweitert den Fokus auf eine umweltgerechte Gestaltung von Produkten mit Blick auf Langlebigkeit, Reparierbarkeit und Recyclingfähigkeit. Ein zentrales Element ist der digitale Produktpass, der wichtige Nachhaltigkeitsdaten digital bereitstellt. ESPR-Pflichten für erste, priorisierte Produkte treten ab 2026 in Kraft.

Unternehmen sollten sich jedoch bereits jetzt mit der Bilanzierung von Corporate Carbon Footprints (CCF) und Product Carbon Footrprints (PCF) beginnen, um sich optimal auf die neuen Informations- und Leistungsanforderungen vorzubereiten. Eine frühzeitige Umsetzung bringt eine klare Regulierungsstrategie, eine verlässliche Datenbasis, gezielte Kommunikation mit Lieferanten sowie eine sorgfältige Umsetzungsplanung.

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